Bericht

Deutsche Oper Berlin, Neueinstudierung 27. Juni 1998
La Gioconda

Was am nachhaltigsten in Erinnerung bleibt von der Neueinstudierung von Amilcare Ponchiellis 1876 uraufgeführten Oper 'La Gioconda', ist das überwältigende  Bühnenbild, das Regisseur Fillipo Sanjust 1974 zur Premiere der Inszenierung gemäß der Orginaldekorationen aus der Entstehungszeit des Werkes gestaltet hat. Gleich zweimal, bei der Öffnung des Vorhangs zu Beginn des zweiten und des dritten Aktes als das Schiff Enzos bzw. das Innere von Alvises Palast erschien, bekundete das Publikum sein Gefallen mit Applaus.
Abgesehen von der allgemeingültigen Aussage, daß die schwächsten immer die willkommensten Opfer sind, besitzt die Oper wenig tiefenpsychologische Züge. Das Libretto von Tobia Gorrio (hinter dem Pseudonym verbirgt sich der Librettist und Komponist Arrigo Boito) und die Musik von Ponchielli bietet in erster Linie den Sängern dankbare Partien.

Kaja Borris
Kaja Borris
Das der französischen Grand Opéra nahestehende Werk mit veristischem Einschlag spielt im Venedig des 17. Jahrhunderts und handelt von einem Edelmann (Enzo, Tenor), der zwischen zwei Frauen steht (La Gioconda, Sopran, und Laura, die Frau des Inquisitors, Mezzosopran), dem Inquisitor Alvise Badoero (Baß) und dessen Spion Barnaba (Bariton). Das Intrigenspiel ist verwirrend und letztlich wählt Barnaba, der La Gioconda angeblich liebt, recht seltsame Methoden, um ihre Liebe zu gewinnen, denn er will La Gicondas blinde Mutter (La Cieca, Alt) als Hexe verbrennen lassen und tötet sie am Ende auch. La Gioconda ihrerseits verhilft ihrer Nebenbuhlerin Laura zur gemeinsamen Flucht mit Enzo, bevor sie Selbstmord begeht.
Auch, wenn die beiden anderen Frauenpartien die glanzvolleren Rollen sind, wie Kaja Borris La Giocondas blinde Mutter La Cieca (Die Blinde) darstellte, hätte anrührender nicht sein können. Die gebürtige Niederländerin, die in Berlin aufgewachsen ist und bereits seit 1973 zum Ensemble der Deutschen Oper Berlin zählt, muß das Verhalten blinder Menschen sehr genau beobachtet haben, um sie so treffend darstellen zu können. Schon in Eugen Onegin hatte die in Mezzo- und Altpartien beheimatete Sängerin als Tatjanas Amme überzeugt. In 'La Gioconda' setzte sie noch eins drauf und rührte sowohl mit ihrer Darstellung als auch mit ihrer klaren, differenzierten, einfühlsamen, gut phrasierten Stimme. Mit beidem stahl sie den beiden anderen weiblichen Hauptpartien eindeutig die Schau. Bei Eva Marton als Straßensängerin La Gioconda kann man nur feststellen, weniger wäre besser. Vor allem weniger an Lautstärke und dafür mehr an Feinheiten im Gesang. Daß sie durchaus auch anders kann, bewies sie im vierten Akt, für den sie reichlich Beifall erhielt. Auf weniger Gnade stieß bei einigen Besuchern dagegen die rumänische Mezzosopranistin Mariana Cioromila als Laura. Wenn auch nicht ganz zu Unrecht, fragt sich doch, warum man angesichts dieser insgesamt überzeugenden Aufführung ein 'Buh' in den Mund nehmen mußte. Die, die es taten, werden es hoffentlich wissen. Die Mehrheit der Besucher war auf jeden Fall begeistert. Die drei männlichen Hauptpartien waren mit dem italienischen Tenor Alberto Cupido als Enzo, dem amerikanischen Bariton George Fortune als schurkischen Barnaba und Arutjun Kotchinian als betrogenen Ehemann und verhinderten Mörder in der Rolle des Inquisitors hervorragend besetzt. Der junge Armenier, der zum Ensemble der Deutschen Oper seit 1995 gehört, gab mit seinem wohltönenden Baß als Alvise Badoero an der Deutschen Oper seinen ersten Auftritt in einer der Hauptpartien. Ihm gehörte der dritte Akt ! Die musikalische Leitung, dies sollte nicht vergessen werden zu erwähnen, hatte Marcello Viotti
Arutjun Kotchinian: Der junge armenische Baß ist Absolvent des Moskauer Konservatoriums, wo er sein Studium 1995 abschloß. Zu seinen Partien, die er in seiner Moskauer Zeit gesungen hat, zählen der Gremin in Eugen Onegin, Don Silva in Ernani, Don Basilio in Il Barbiere di Siviglia, Coline in La Bohème und die Titelpartie in Aleko. Ende September 1995 kam Arutjun Kotchinian mit einem Stipendium des Förderkreises der Deutschen Oper an die Deutsche Oper Berlin, wo er seit dieser Spielzeit einen Festvertrag besitzt. Zu seinen Partien an der Deutschen Oper zählen u.a. Saretzkij in Eugen Onegin, Ramphis und König in Aida, Der Hohepriester in Oedipe, Onkel Bonze in Madama Butterfly und Ferrando in Il Trovatore.
Birgit Popp

 

Opera Notes
Arutjun Kotchinian