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Tagungsbericht zum Thema Kinderoper

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'Kinderoper' - Thema einer dreitägigen Tagung der Europäischen Musiktheater-Akademie in Wien

 Kinderoper - an vielen Opernhäusern vor allem in Österreich und Deutschland hat diese Gattung noch immer einen schweren Stand, ist weitgehend der Initiative einzelner überlassen und führt zu Schubladendenken und nicht selten Abqualifizierung. Fast jeder, der sich für die Kinderoper engagiert, kann aus eigener Erfahrung berichten, daß er oder sie zumindest am Anfang intensiv davon abgeraten bekommen hat, sich für dieses Metier einzusetzen, so auch der renommierte Kinderopern-Komponist Wilfried Hiller ('Das Traumfresserchen', 'Peter Pan' u.a.), "Mein Musikverleger warnte mich, ich würde nie wieder eine Oper für Erwachsene schreiben können oder Aufträge für ein Festival der modernen Musik erhalten." Ganz so schlimm wurde es für Wilfried Hiller nicht, doch es charakterisiert die Situation, in der sich viele Komponisten, Librettisten, Regisseure und Dramaturgen befinden, die sich dem Thema 'Kinderoper' annehmen. In den ehemals kommunistisch-sozialistischen Ländern, so auch der DDR, war die Situation eine andere. Die staatliche Führung hatte den ideologischen Schulungswert des Musiktheaters für Kinder erkannt und es deshalb gefördert. "Allerdings", so Ferenc Bonis, ehemaliger Chefdramaturg im ungarischen Rundfunk, der zahlreiche Kinderopern in Auftrag gab und zur Aufführung brachte, "nicht immer im Sinne der Regierenden, es waren auch sehr kindgerechte und für Kinder wertvolle Stücke darunter." Heute ist die Förderung von Kinderopern in Ungarn jedoch auf einen Nullpunkt angekommen, "Der staatliche Rundfunk ist eine Aktiengesellschaft und die Nationaloper, die sicherlich die Möglichkeit hierzu hätte, fördert die Kinderoper nicht." Eine vergleichbare Situation besteht vielerorts auch in Deutschland.

Was aber heißt wertvoll für Kinder ? Ohne Frage die ganzheitliche Erfahrung verschiedener Medien wie Bild, Text, Musik, Gefühl und Raum und so der Münchner Komponist Wilfried Hiller, "Wir haben eine Chance, jungen Leuten zu zeigen, daß es Dinge gibt, von denen sie mehr haben, als von schnellebigen Fernsehserien. Ich glaube, daß man Kindern im Theater etwas geben kann, von dem sie merken, daß es keine verlorene Zeit ist. Sie gehen dann auch später in die Oper." Und so Hiller weiter, "Ich glaube, daß Kinder dazu gebracht werden können, wieder zuzuhören. Das Fernsehen hat irrsinnig viel verdorben, weil durch die Häufung von schnellen Bildern und Tonfolgen, schnellen Dialogen und hektischer Musik die Wahrnehmungs- und Differenzierungsmöglichkeiten gar nicht mehr da sind. Aber Kinder sollten mit Erwachsenen gemeinsam die Vorstellung besuchen, damit man sie nicht wie vor dem Fernseher ratlos allein zurückläßt. Ich möchte, daß bei meinem Stücken eine Auseinandersetzung stattfindet."

Hiller vertritt die Ansicht, daß Kinderoepr von Profis für Kinder gemacht werden sollte. Dieses Konzept verfolgt auch der Intendant der Wiener Staatsoper Ioan Holender. Mit seinem Kinderopern-Zelt auf dem Dach der Wiener Staatsoper setzte er zu Beginn der Spielsaison 1999/2000 ein weithin sichtbares Zeichen. Hillers 'Das Traumfresserchen', das 1990 in Bremen uraufgeführt wurde und dessen Libretto von Michael Ende stammt, wurde zu einem überwältigenden Erfolg. Rund 14.000 Kinder vor allem im Kindergarten- und Grundschulalter haben es bereits in Wien gesehen. Auf Grund des großen Erfolges und nach wie vor lange im voraus ausverkauften Plätzen ist 'Das Traumfresserchen' nun bereits in seine zweite Saison gegangen. Zum Konzept Holenders zählt aber auch, daß die Kinder den Aufstieg zum Dach über das reich dekorierte Treppenhaus der Staatsoper nehmen und die Türen der Galerie geöffnet bleiben, damit die Kinder ein Blick in den Zuschauerraum und auf die Bühne des großen Hauses werfen können und angeregt werden, auch einmal zu einer Vorstellung dorthin zu kommen. Als zweiten Schritt ging er nun das Wagnis ein, die 2000 Plätze der Wiener Staatsoper mit einer Kinderoper zu füllen. Auch dieses Unterfangen gelang ihm. Am 22. Oktober hatte Wilfried Hillers 1997 am Prinzregententheater in München uraufgeführter 'Peter Pan' in der Inszenierung von August Everding Premiere. Nicht nur die Premiere am Nachmittag war ausverkauft, sondern auch die zweite Vorstellung am Abend des selben Tages spielte vor vollem Haus.

Neben den finanziellen Problemen und der mangelnden Unterstützung durch die Intendanten - die Wiener Staatsoper und die Junge Oper an der Staatsoper Stuttgart sind eine der wenigen rühmlichen Ausnahmen - zeigte die dreitägige Tagung der Europäischen Musiktheater-Akademie in Wien vor allem zwei Dinge auf: Die Kinderoper besitzt eine Tradition, die wie die der 'Oper für Erwachsene' vierhundert Jahre alt ist, und, es ist schwierig eine genaue Begriffsdefinition zu finden. Bis zum 20. Jahrhundert fand Kinderoper vor allem als Schuloper oder im Kreise der Familien statt bzw. bestanden professionelle Kindertheatergruppen, die für Erwachsene aufführten. Die Kinderopern hatten nicht selten verklärende Wirkung und sollten Kinder über die Mißstände in ihrem eigenen Leben hinweghelfen. Doch über die Typologie der Gattung 'Kinderoper' besteht Uneinigkeit. So vertritt Ingolf Huhn, Leipzig/Freiberg, die Auffassung, daß zur Kinderoper im engeren Sinne nur die Werke zählen, die von Profis für Kinder aufgeführt werden. Dem widersprechen z.B. Markus Kosuch von der Jungen Oper Stuttgart oder Frank Martin Widmaier, der an der Deutschen Staatsoper Berlin und an der Oper Frankfurt (am Main) mit Kindern und Jugendlichen 'Cinderella' einstudiert und mit großem Erfolg aufgeführt hat. Zwei Hauptgruppen kristallisieren sich heraus: Die Kinderoper von Profis (wie im Falle des Wiener Staatsopern-Ensembles) für Kinder und Jugendliche und die Kinderoper mit Kindern und Jugendlichen, wobei diese entweder bereits Vorkenntnisse wie die Mitglieder von Kinderchören besitzen oder ganz Anfänger sein können. Es gibt dazwischen Mischformen und einen dritten Zweig, die kindgerecht aufbereitete Erwachsenenoper, wie es Christian Boesch bereits vor zwanzig Jahren mit seiner Pionierarbeit, der Zauberflöte für Kinder gezeigt hatte. Getrennte Meinungen gab es auch über die Inhalte und pädagogische Wirkung. Ein Teil der Tagungsteilnehmer sah den typischen Stoff für Kinderopern vor allem aus dem Bereich der Märchen kommend und die Wichtigkeit der Betonung der Gefühlswelt, während ein anderer Teil das Alltagsleben auf der Bühne reflektieren möchte. Eine Diskordanz, die auch in der Erwachsenenoper besteht.

Wenn auch die Tagung zeigte, daß häufig wenig Toleranz zwischen den Vertretern der Richtungen Kinderoper mit bzw. für Kinder herrscht, so sollten sich doch beide Richtungen ergänzen. Genauso, wie es wichtig ist, daß es nicht nur Nachwuchs an zukünftigen Opernbesuchern gibt, sondern im gleichen Maße auch Nachwuchs an Opernschaffenden. Den wohl weitreichendsten Schritt in diese Richtung unternimmt die Metropolitan Opera Guild der MET in New York. In einem ihrer verschiedenen Programmen vermitteln ihre Lehrkräfte, unter ihnen zahlreiche Künstler der MET, Musik- und Klassenlehrern das Wissen, um mit ihren Schülern eine Oper zu komponieren, das Libretto zuschreiben, aufzuführen (einschließlich der Anfertigung des Bühnenbildes und der Kostüme) und im lokalen Rahmen zu vermarkten. Anhand der Oper erlernen die Schüler dabei Fähigkeiten, die für sie auch außerhalb einer Opernproduktion von großem Nutzen sind. Daß sie nicht selten dabei ihre Eltern für die Oper begeistern, ist sowohl an der MET wie an der Wiener Staatsoper oder allen anderen Häusern, die die Gattung 'Kinderoper' unterstützen, ein durchaus erwünschter Nebeneffekt.

Birgit Popp

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