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Teatro Real, Madrid (ESP), im Oktober 2005

Don Giovanni


Szenenphoto: Carlos Álvarez (Mitte), Lorenzo Regazzo (vorne),
María José Moreno, Sonia Ganassi, José Bros,
María Bayo, José Antonio López (v.l. auf dem Tisch)

Photo: Javier de Real (Teatro Real)

Mit einer glanzvollen Abschlussvorstellung endete am 15. Oktober die Serie von sieben Vorstellungen der Premieren- und fünf Vorstellungen der Alternativ- Besetzung der Neuproduktion von Mozarts Don Giovanni in der Regie von Lluis Pasqual und der musikalischen Leitung von Víctor Pablo Pérez. Mit dieser Neuproduktion wurde am Madrider Teatro Real dessen neunte Spielzeit nach seiner Wiedereröffnung im Jahr 1997 eingeläutet. Die Produktion, die auch im Hinblick auf das kommende Mozart-Jahr stattfand, wurde zum großen Medienspektakel. Die Vorstellungen der Premierenbesetzung wurden am 7. Oktober auf einer Großleinwand auf der Plaza d’Oriente live übertragen, am 10. Oktober in einer Live-Sendung von TVE 2 direkt im spanischen Fernsehen ausgestrahlt und am 15. Oktober europaweit im Radio gesendet und zudem wurden drei Vorstellungen (7., 10., 12.) für eine spätere Veröffentlichung auf DVD mitgeschnitten.

Bei der Premiere war den meisten Sängern wie dem Regisseur und dem Dirigenten noch der Unmut des Madrider Publikums entgegengeschlagen, der sich aber im Laufe der Vorstellungen fast ausnahmslos in Wohlgefallen wandelte. Lluis Pasqual hatte seinen Don Giovanni in das Sevilla der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts versetzt, wie der katalanische Regisseur sagte, weil dadurch die Geschichte den Menschen verständlicher werden würde, da diese Zeit ihnen noch in Erinnerung sei, aber doch weit genug entfernt, dass sie sich nicht direkt damit identifizieren würden. Eine Zeit also, in der in Spanien der Bürgerkrieg gerade zu Ende war, sich die Franco-Diktatur an der Macht befand und im restlichen Europa der Zweite Weltkrieg wütete. Den Rahmen und Haupthintergrund bildete denn auch die Ruine eines mehrstöckigen Wohnhauses, an dem noch Überreste wie Kleiderhaken oder der Wasserspülungskasten zu sehen waren. Durch den häufigen Einsatz der Drehbühne, die sich dieses Mal geräusch- und problemlos drehte, kam in der Szene der Hochzeitsgesellschaft ein Autoscooter-Jahrmarktstand zum Vorschein, der sich zu einer Venedig-Kulisse mit Gondel im Duett zwischen Zerlina und Don Giovanni und später zu Don Giovannis Palast wandeln sollte. Eine optisch sehr ansprechende Idee. Diese Szenen sollten jedoch die einzigen erleuchteten, farbenreichen Momente bleiben. Überwiegend war das Bühnenbild in fahlem Licht getaucht und schwarz-weiß gehalten. Während Don Octavio sonst eher als Schwächling dargestellt wird, trat er in Madrid als Militäroffizier auf, der nur privat Herz und Gefühl zeigte. Lluis Pasqual hatte viele gute Ideen, die sich nahtlos aneinanderreihten und der ständige Wechsel auf der Bühne verlief im harmonischen Einklang mit der Musik. Besonders gefiel, den Kommentator auf eine Pferdestatur schon auf dem Friedhof zu setzen, auf der er dann auch in den Palast von Don Giovanni in spektakulärer Weise einschwebte und auf der am Ende auch Don Giovanni entschwand.

Was in Deutschland als traditionell gegolten hätte, wurde in Madrid allerdings als modern betrachtet und mit Ablehnung versehen. Vielleicht war es aber auch die Erinnerung an das Franco-Regime und den blutigen Bürgerkrieg, die vom Publikum abgelehnt wurde. Ob sich das Publikum mit dem Inhalt der Geschichte dadurch besser identifizieren konnte, dass sie nicht zum Zeitpunkt des Librettos spielte, ist zu bezweifeln. Der ‚Don Giovanni’ - Mythos ist ein zeitloses Thema, wie Lluis Pasqual sehr richtig anmerkte, insofern bleibt es eigentlich völlig gleich, zu welchem Zeitpunkt die Inszenierung angesetzt ist.


Carlos Alvarez und Maria Jose Moreno

Für Carlos Álvarez, dem Don Giovanni der Premieren- Besetzung und der Übertragungen und Aufzeichnungen, der ungewohnt mit kurzen Haaren im 40iger – Jahre - Look auftrat, war es seit seinem ersten Don Giovanni im Jahr 1995 in dieser Partie bereits die siebte Neuproduktion (darunter in Bonn, Málaga, Wien - Theater an der Wien, Jerez de la Frontera). Seine Stimme variierte zwischen kraftvoll und imposant, z.B. bei der kunstvoll gesungenen Einladung zum Fest oder im Schlussakt auf seinem Weg zur Hölle, und einschmeichelnden Weisen wie beim Duett mit Zerlina und in der Serenade unterm Fenster. Doch nicht nur stimmliche Potenz verlangte die Regie dem spanischen Bariton ab, sondern auch akrobatischen körperlichen Einsatz. So musste er während des Singens auf einen Tisch springen oder im Schlussakt die Pferdestatue in schwindelnder Höhe besteigen. Carlos Àlvarez strahlte dabei in der Wiedererkennungsszene mit Donna Elvira soviel Mitgefühl aus und auch ansonsten soviel Menschlichkeit, dass man sich am Ende schon fast fragte, warum er eigentlich in die Hölle fahren musste – schließlich war es ja der Kommentator selbst, der als erstes die Waffe zog.


Carlos Alvarez und Alfred Reiter

Michele Pertusi in der Alternativ- Besetzung legte seinen Don Giovanni als aalglatten Machtmenschen an, Typ Manager oder Politiker, dem die Damen nicht wegen seines Charmes, sondern seiner Machtausstrahlung erliegen.Lorenzo Regazzo, der Leporello der Premieren- Besetzung, zeichnete sich durch darstellerische Aktivität und schöner Stimme aus, man hätte ihm aber vor allem in den tieferen Passagen seiner Partie mehr Durchschlagskraft gewünscht, während der junge, italienische Bassbariton Luca Pisaroni als Leporello in der Alternativ- Besetzung ein wirklicher Zugewinn für die Produktion war. Dies konnte man auch ohne Einschränkung von María José Moreno sagen, die in Madrid mit feiner, klarer, gut sitzender und geführter Stimme und viel schauspielerischem Talent ein glanzvolles Rollendebüt gab und in allen Vorstellungen im Einsatz war. Immer an ihrer Seite auf der Bühne war auch José Antonio López als ihr  Bräutigam Masetto, der einen soliden Eindruck hinterließ. Mehr Schwärze und stimmliches Gegengewicht zu den beiden Don Giovanni – Sängern hätte man sich von Alfred Reiter als Kommentator erhofft.


Luca Pisaroni

Pluspunkte waren die beiden Donna Elviras: Sonia Ganassi mit runder, aber höhenreicher Mezzo-Stimme, und Véronique Gens, mit etwas leichterem
Timbre, aber in allen Lagen gleichmäßig qualitätsvoller Stimme. Eine stimmlich gute Donna Anna war in der Alternativ- Besetzung Tamar Iveri, während María Bayo trotz ihrer schönen, klaren, mädchenhaften Stimme keine Idealbesetzung in dieser Partie darstellte, fehlte ihr doch die Dramatik, die sie durch zu scharfe, forcierte Töne zu ersetzen versuchte. Ihre Hingabe an diese Partie ließ sie dennoch zu einer überzeugenden Verkörperung werden. Reichen Applaus ernteten zu Recht die beiden Don Octavios, José Bros und Raúl Giménez. Mit dem hohen Niveau der beiden Tenöre konnte das Dirigat von Víctor Pablo Pérez nicht mithalten. Hier war nicht zu überhören, dass sein Schwerpunkt mehr bei der Symphonie als bei der Oper liegt.

Birgit Popp

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