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Es gibt Menschen, bei denen man sich
wünscht, sie würden nie älter werden. Zu ihnen zählt Mirella Freni. Und es scheint
manchmal werden solche Wünsche auch wahr, zumindest auf der Opernbühne. Nach 15 Jahren -
ihre letzte Rolle am Haus gab sie als Mimi - kehrte die italienische Sopranistin, bei
deren Erwähnung ihres Namens fast jeder Opernliebhaber glänzende Augen bekommt, in einer
ihrer Paraderollen als Tatjana in Eugen Onegin auf die Bühne der Deutschen Oper zurück.
Ihr Sopran ist im Laufe der Jahre natürlich dramatischer geworden, die Höhen nicht mehr
ganz so federleicht, dennoch ihr Auftritt am 7. Juni und bereits zuvor am Pfingstsonntag
zählen ohne Zweifel zu einem der Höhepunkte der diesjährigen Spielsaison an der
Deutschen Oper Berlin. Ihre Geschmeidigkeit des Körpers, ihre Ausdruckskraft, ihre
spielerische Gestaltung konnten einem immer noch glauben machen, man habe ein junges
Mädchen vor sich. Berührender kann man sich die berühmte Briefszene kaum vorstellen,
minutenlanger Szenenapplaus waren der Lohn. Mirella Freni hatte in Sergej Leiferkus einen
ebenbürtigen und nicht weniger gefeierten Partner. Wohltönend der Bariton, glaubhaft die
Wandlung vom arroganten Lebemann zum Menschen, der seine eigenen Gefühle zuläßt und
glaubt mit seiner Gefühlswandlung auch das Schicksal noch einmal rückgängig machen zu
können. Für den russischen Bariton, der seine Berühmtheit nicht zuletzt seinen
Onegin-Interpretationen zu verdanken hat, war es sein Debüt an der Deutschen Oper Berlin.
Eine weitere Legende wurde an diesem Abend mit Mirella Frenis bulgarischen Ehemann Nicolai
Ghiaurov als Fürst Gremin gefeiert. Aber auch die anderen Partien verbreiteten Glanz.
Kaja Borris war die Idealbesetzung und Personifizierung einer russischen Amme auf dem
Lande. Von den jüngeren Mitgliedern des Sängerensembles überzeugten vor allem Elena
Zhidkova als lebenslustige Olga und Jonas Degerfeldt, der den feinfühligen, sensiblen
Dichter Lenskij darstellerisch und stimmlich bestens Gestalt verlieh, wenn auch manchmal
seine Piani schon fast zu zart gerieten. Die musikalische Leitung hatte Jiri Kout in
dieser am 7. Juni zum 14. Mal aufgeführten Götz-Friedrich-Inszenierung mit einem in
hellen Tönen gehaltenen, fast das tragische Geschehen kontrastierende Bühnenbild und
ebensolchen Kostümen von Andreas Reinhardt.
Text und Photo: Birgit Popp
Opera Notes |