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Juni 1999 -Wiener Staatsoper

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Wiener Staatsoper im Juni '99

L'Italiana in Algeri    Le nozze di Figaro    Ernani     
Les Contes de Hoffmann   Palestrina

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L'Italina in Algeri
Text: Birgit Popp, Photos:Axel Zeininger

Nicht nur die Wiederaufnahme von Pique Dame brachte unvergeßliche Opernabende in der ersten Juni-Hälfte und Palestrina neue Würdigung für Pfitzners Meisterwerk, auch die Repertoire-Vorstellungen ließen manches Opernherz höher schlagen. Wenn man von der unterhaltsam-lustigen Seite ausgeht, dann sind dabei allen voran die beiden Ponnelle-Inszenierungen L'Italiana in Algeri und Le nozze di Figaro zu nennen. Unvergleichlich mit wieviel Liebe zum Detail und witzigen Einfällen der im Alter von nur 56 Jahren bereits 1988 verstorbene, französische Regisseur und Bühnenbildner seine Opern inszeniert und ausgestattet hat. Auch nach Jahren im Repertoire haben diese Operninszenierungen nichts von ihrem Reiz und Unterhaltungswert verloren, vor allem, wenn sie mit soviel Spielwitz und Spielfreude von den Sänger-Darstellern vorgetragen werden. Bei Rossinis L'Italiana in Algeri (2. und 7. Juni 1999) machte allein schon die Ouvertüre den Opernbesuch wert. Mit Zartheit und zugleich impulsiver Lebendigkeit und Dynamik zauberten die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Marcello Viotti die Ouvertüre dahin. Mit Michele Pertusi (Mustafa, Bey von Algier), Liliana Ciuca (Zulma) und Juan Diego Flórez (Lindoro) gaben am 2. Juni gleich zwei Sänger und eine Sängerin ihr Rollendebüt an der Wiener Staatsoper. Wahre Beifallsstürme entfachte dabei Juan Diego López. Viele sehen in dem jungen, blendend aussehenden Peruaner den zukünftigen Rossini-Tenor überhaupt. Seine Mittellage nimmt für ihn ein, daß er recht leicht luftige Höhen erreicht, ebenso allerdings verlieren seine Höhen etwas an Schlankheit, geraten zu breit. Hier besteht sicherlich noch Entwicklungsspielraum. Die amerikanische Mezzosopranistin Jennifer Larmore bot eine stimmlich wie darstellerisch charmant-entzückende Verkörperung der Titelpartie - bei Teldec ist im übrigen eine Einspielung dieser Oper mit Jennifer Larmore erschienen - und fand wie schon in früheren Aufführungen ihren überaus witzig-liebenswerten Begleiter Taddeo im Wiener Staatsopern-Ensemblemitglied Alfred Sramek. Wie der etwas untersetzte Bariton die Möglichkeiten auskostet, die ihm die Rolle bietet, von auftrumpfender bis zaghaft-ängstlicher Gestalt und stimmlicher Präsenz ist einfach köstlich. Gleiches kann man über Franz Hawlata als Figaro in Mozarts Le nozze di Figaro (11. Juni 1999) sagen. Sonst eher in den seriösen Baßpartien gewohnt, bringt er als Figaro sein ganzes Gefühl für Komik und Spitzbübigkeit zu Tage und dies mit einem äußerst flexiblen Bass. Aber auch seine körperliche Beweglichkeit ist angesichts seiner vorhandenen Körperfülle zu bewundern. An seiner Seite stand mit Juliane Banse ein bezaubernder, lyrischer Sopran.

nozzesz.jpg (18987 Byte)  Le nozze di Figaro

Aber auch die übrige Besetzung brachte mit Bo Skovhus als Graf Almaviva und Brigitte Hahn als Gräfin Almaviva sängerisch Hochklassiges auf die Bühne. Die deutsche Sopranistin feierte ebenso wie die ungarische Mezzo-Sopranistin Viktoria Vizin als Cherubino in dieser Vorstellung ihr Hausdebüt an der Wiener Staatsoper. Manchmal ein etwas schnelleres Tempo hätte jedoch das Orchester unter der Leitung von Peter Schneider vorlegen dürfen.

Mit zum Teil neuer Besetzung gegenüber der Premiere im Dezember 1998 kam Verdis Ernani in der zweiten Staffel auf die Bühne - eine stimmliche Verbesserung brachte sie jedoch nicht. Bariton-Legende Renato Bruson ersetzte als Don Carlo (Karl V.) Carlos Alvarez, der sich derweil ganz auf die Premiere der Neuinszenierung von 'Don Giovanni' am Theater an der Wien am 20. Juni konzentrierte. Maria Guleghina ersetzte wie schon zu Beginn der Spielzeit geplant die amerikanische Sopranistin Michèle Crider, die in der Premierenstaffel die von drei Männern bedrängte Elvira gesungen hatte. Mit bewährter Perfektion am Pult führte erneut

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Photo privat

Seiji Ozawa Orchester und Sängerensemble. Bei den männlichen Hauptpartien war eine deutliche Steigerung von Vorstellung zu Vorstellung (5., 9. und 13.Juni 1999) zu verzeichnen. Zum herausragenden Ereignis wurde die Vorstellung am 13. Juni mit einem äußerst gut disponierten Neil Shicoff in der Titelpartie, der sich mit Leichtigkeit in die Höhen schwang, und einem ebenso gut disponierten Roberto Scandiuzzi als Silva. Bei Renato Bruson konnte man die Begeisterungsstürme seiner Fans nun nachvollziehen, was an den Abenden zuvor nicht immer gegeben war. Besonders am 5. Juni war vor allem im ersten Akt seine recht brüchig klingende Stimme nur sehr schwach über die Rampe gekommen, steigerte sich erst langsam im Verlauf der Vorstellung. Hervorragend, ja vorbildhaft waren seine Legatos jedoch an allen Tagen. Betrachtet man das jugendliche Alter des historischen Karl V. zum Zeitpunkt seiner Kaiserkrönung in Aachen, dann paßt Carlos Alvarez mit seinen Mitte Dreißig allerdings besser in die Rolle des Don Carlo als der bereits die Sechzig überschritten habende Bruson. Nicht auf Begeisterung treffen konnte Maria Guleghina, die mit viel zu lauter Stimme vor allem in den Höhen sang, um nicht zu sagen schrie. Worin sie sich allerdings im Verlauf der Vorstellungen besserte, waren die Piani und in manchem Duett mit Neil Shicoff bewies sie, daß sie durchaus gefühlvoll und differenziert singen kann, schade nur, daß sie dies nicht öfters unter Beweis stellte.

Die Inszenierung des Ernani war vor allem bei den Kritikern zur Premiere auf wenig Beifall gestoßen, eine Meinung, die von mir jedoch nicht geteilt wird. Bei der zweiten Serie setzten sich aber die neu hinzugekommenen Sänger mit einigen, wenn auch kleinen Änderungen durch, die jedoch den Gesamteindruck nicht eben im Sinne des Regisseurs Graham Vick veränderten. Dies fängt damit an, daß Renato Bruson offensichtlich ablehnte, einen Ohrring als Zeichen seines hohen Standes zu tragen, wie es zur Zeit von Karl V. Brauch war und somit trägt auch Scandiuzzi/Silva keinen Ohrring mehr. Ebenfalls geändert wurde, daß nun Renato Bruson in der Grabkammerszene auf dem herunterkommenden Kreuz daher- schreitet, was eine eher lächerliche Wirkung besitzt. Der Eindruck war viel bestimmender und von seiner Größe zeugender bei der Premiere, als er aus dem Grab Karls des Großen herausschreitet und für einen Moment ganz alleine mitten unter den überraschten Verrätern steht, die ihn in diesem Moment leicht hätten töten können, als ihnen jetzt völlig unantastbar für sie von oben herab entgegenzukommen. Bleibt zu hoffen, daß Carlos Alvarez dies bei der Saisoneröffnung am 1. September 1999 wieder ändern wird. Maria Guleghina setzte ebenfalls ihren Kopf durch und reißt sich in der Finalszene am Ende von Silva los, um zum sterbenden Ernani zu gelangen. Dies steht mit dem ursprünglichen Libretto zwar durchaus im Einklang, aber es kam erheblich besser zur Geltung, welche Macht Silva wieder über sie hat, als sich Michèle Crider als Elvira bei der Premiere nicht losgerissen hatte. Oder, um es mit den Worten von Roberto Scandiuzzi auszudrücken, "Wenn Silva sie nicht mehr zu dem am Boden liegenden Ernani läßt, dann demonstriert dies eindeutig, er hat die Macht. Er ist der einzige der drei Männer, der am Ende Sex mit ihr haben kann."

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Les Contes de Hoffmann

 Im Gesamteindruck überaus hörens- und sehenswerte Aufführungen in einer phantasievollen Inszenierung erlebten die Staatsopernbesucher auch mit Les Contes d'Hoffmann (12. und 15. Juni 1999). Die Fans von Samuel Ramey durften sich freuen, daß der amerikanische Baßbariton nach mehreren Absagen dieses Mal wieder auf der Staatsopernbühne stand. Mit welcher Präsenz und Glaubwürdigkeit der privat als sehr freundlich geltende Ramey die Rollen der Bösewichter verkörpert, ist faszinierend. Mit gewisser Würde und Steifheit als Stadtrat Lindorf, seinen Spieltrieb auslebend als locker-splinischer Optiker Coppelius, als mysteriöser, todbringender Doktor Mirakel oder als glatzköpfiger Kapitän Dapertutto. Erstaunlich, mit welcher stimmlichen Bandbreite Ramey aufwarten kann, vom tiefsten Schwarz bis hinauf in die hohen Lagen der Diamanten-Arie. Applaus ! Auch für Alberto Cupido. Er meisterte die schwierige Lage im Passagio des Hoffmanns bestens, geschmeidig, mit wohltuendem Timbre, gelegentlich mit kleineren Unsicherheiten, wenn es in die höheren Lagen ging. Aber dies war beim überaus positiven Gesamteindruck, den er hinterließ, leicht zu verschmerzen. Viele Pluspunkte in Jacques Offenbachs romantisch-fantastischen Oper sammelte auch Valeria Esposito als Olympia. Wie ein Vogel zwitscherte sie das Lied von den Vögeln mit absolut sicheren Koloraturen. Da konnten die anderen weiblichen Rollen nicht mithalten. Am besten gefiel nach ihr Ildiko Raimondi als Antonia. Eliane Coelho konnte gewisse Verschleißerscheinungen ihrer Stimme nicht mehr überdecken. Angesichts des Dauereinsatzes, in dem sie sich an der Staatsoper befindet, keine Überraschung. Schade um diese Stimme. Möge sie sich wenigstens in den Theaterferien etwas Ruhe gönnen. Ihr Rollendebüt hatte Heidi Brunner als Niklause/Muse, erwies sich aber sowohl am 12. als auch am 15. Juni als eine eher schwache Besetzung, kam vor allem in den Piani nicht in den Zuschauerraum hinüber. Von Betrand de Billy hätte man sich am Dirigentenpult etwas mehr französische Leichtigkeit gewünscht, ganz abgesehen davon, daß Orchester und Chor in ihren Einsätzen nur selten harmonierten.

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Photo privat

Palestrina (3. und 6. Juni 1999) - für denjenigen, der sich vor allem mit dem italienischen und französischen Fach beschäftigt, für den klingen die Töne Pfitzners anfangs eher befremdlich. Von der Bewahrung des Traditonellen in der Musik, was das Thema des Werkes ist, und dem sich Pfitzner verschrieben fühlte, merkt man zum Teil recht wenig, recht moderne Töne dringen an das Ohr. Und doch, das 1917 uraufgeführte Werk ist von Harmonien und romantischem Einfluß geprägt. Ebenso von ausgesprochen guter Textverständlichkeit, was ein besonderes Anliegen Pfitzners war, der ganz wie sein Vorbild Richard Wagner auch das Libretto schrieb. Obwohl der erste Akt fast zwei Stunden dauert, äußerst handlungsarm ist und vor allem aus Monologen und Dialogen besteht, bis er über den Auftritt der alten Meister zum Höhepunkt, der Engelsszene, schreitet, ist er faszinierend und nimmt den Zuhörer unweigerlich gefangen. Ihren großen Anteil besitzen daran die hervorragenden Interpreten. Im ersten Akt sind in den 'Hosenrollen' die bereits erwähnte Julia Banse als Palestrinas treuer Sohn Ighino und die Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager als sein sich der modernen Musik verschreibender Schüler Silla zu nennen. Großartiges leisten in diesem ersten Akt von männlicher Seite vor allem Thomas Moser als Kapellmeister und Komponist Palestrina und Franz Grundheber als römischer Kardinal Borromeo, der Palestrina um die Komposition einer neuen Messe und damit um die Rettung der mehrstimmigen Kirchenmusik bittet. Der an die Meistersinger Wagners erinnernde Chor der alten Meister und die Engelszene gefallen ebenfalls, musikalisch als auch in ihrer Versinnbildlichung des Wiedererlangens von Palestrinas Schaffenskraft.

PalestrinaMoser.JPG (11695 Byte)  Palestrina
Thomas Moser (vorn) und Franz Grundheber (stehend)

In Herbert Wernickes Inszenierung, die am 23. Mai 1999 einen Tag nach Pfitzners 50. Todestag Premiere hatte, spielen alle drei Akte in einem Hörsaal einer Musikschule. Dieser Saal verwandelt sich im zweiten Akt zum Konferenzsaal des Konzils von Trient. Der zweite Akt wurde von Pfitzner in seinem Meisterwerk kontrastrierend zum introvertierten ersten Akt angelegt. Einer der zentralen und dominierenden Figuren dieses turbulenten zweiten Aktes ist der kirchliche Würdenträger Morone, eine Paraderolle für Bernd Weikl. Am Pult befindet sich Peter Schneider ebenso ganz in seinem Element.

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  Wiener Staatsoper im September 1999

 

 

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