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September 2001 - Die Wiener Staatsoper

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Die Wiener Staatsoper zur Saisoneröffnung 2001/2002 im September 2001

Nabucco, Don Carlo,Roberto Devereux,
Un ballo in maschera

Die Saisoneröffnung der Wiener Staatsoper am 1. September wurde zu einem von vielen Tausend Menschen via Videowand geteilten Erlebnis. Live aus der Staatsoper wurde auf den Rathausplatz in Wien und St. Pölten übertragen. Die Saison 2001/2002 eröffnete mit der letzten Neuproduktion der vorigen Saison, Nabucco in der Inszenierung von Günter Krämer. Faszinierend in der Titelpartie stimmlich wie in der Darstellung des plötzlich vom Wahnsinn befallenen Königs war Leo Nucci. Wie der italienische Bariton nicht nur in der Stimme sondern auch mit seiner ausdrucksvollen Physiognomie und seiner Körperhaltung der geistigen Umnachtung verfiel, war überaus sehenswert. An seiner Seite als machthungrige Abigaille eine besser als in der Premiere disponierte Maria Guleghina, die die schwierige Partie mit exponierten Tönen durchaus mit Bravour meisterte. Mit ihrem großen Stimmorgan das Haus zu füllen, hat sie ohnehin nie Probleme, es gelang ihr aber sowohl in der Vorstellung am 1. als auch am 8. September eine differenzierte gesangliche Umsetzung der Partitur. Liebreizend mit schöner, klarer Stimme trat Marina Domashenko als Fenena auf, ebenfalls überzeugend Miro Dvorsky in der Partie des Ismaele.

Statt dem Premieren-Zaccaria Giacomo Prestia gab in den Septembervorstellungen Paata Burchuladze die Rolle des Hohenpriesters der Hebräer. Der georgische Bass feierte nach achtjähriger Abwesenheit sein Comeback an die Wiener Staatsoper. Zwar machtvoll im Auftreten und in der Stimme, strömte sein Bass jedoch öfters nicht frei genug und klang verdunkelt. Gefühlvoll sang der Chor der Wiener Staatsoper den 'Schlager' des Stückes 'Va pensiero ...' und das Orchester der Wiener Staatsoper zeigte sich unter der Leitung von Fabio Luisi ebenfalls als ein Anwalt des Komponisten.

Premiere hatte am 1. September das Betitlungssystem, das wie bei der Metropolitan Opera New York direkt an den Sitzplätzen angebracht ist und nicht als Übertitel am Bühnenhimmel prangt. In Europa einmalig ist dabei, daß man zwischen englischem und deutschem Text wählen kann. Auch bei deutschsprachigen Opern werden die Texte, die natürlich nur eine verkürzte Wiedergabe der Libretti sind, mitlaufen, was bei der nicht immer vorhandenen Textverständlichkeit auch für deutschsprachige Zuhörer sinnvoll ist. Ermöglicht wurde der Einbau der kleinen Monitore durch die großzügige Spende des US-Amerikaners Alberto Vilar, der dieses Titelsystem auch mit entwickelt hat und dessen Namen es nun trägt.

Auch am 2. September wurde mit Don Carlo eine Verdi-Oper gegeben und auch sie konnte auf den Rathausplätzen und dem Grazer Landhaushof live miterlebt wurden. Hochkarätig war die Besetzung mit Neil Shicoff in der Titelpartie, Ferruccio Furlanetto als Philipp II., Anthony Michaels-Moore als Marquis von Posa, Eric Halfvarson als Großinquisitor, Violeta Urmana als Prinzessin Eboli und Marina Mescheriakova als Königin Elizabeth von Spanien. Ein Werk, das eines der größten Meisterleistungen seines Komponisten ist, wenn nicht gar die größte überhaupt, und das gerade auch in der Inszenierung der Wiener Staatsoper von Pier Luigi Pizzi unter die Haupt geht. Wie sehr das Thema religiöser Fanatismus und Herrschaftsanspruch auch heute ein halbes Jahrtausend später Aktualität besitzt, wurde auf tragischster Weise nur eine Woche später deutlich. Für den amerikanischen Tenor Neil Shicoff, spezialisiert in der Gestaltung seiner Personen und im Timbre der Stimme auf leidende, zerrissene Charaktere, ist die Titelpartie eine seiner Glanzrollen und so brillierte er als innerlich aufgewühlter, unglücklich in seine Stiefmutter Elizabeth verliebter und gegen seinen Vater König Philipp II. von Spanien rebellierender Infant.

Erschütternd einmal mehr das Duett der Baßgewalten zwischen Philipp II. und dem Großinquisitor. In kleiner aber nicht unbedeutender Rolle erbrachte John Nuzzo als Herold den Beweis, daß diese offensichtlich recht schwierige Passage auch für das Ohr harmonisch gesungen werden kann. In der Vergangenheit geriet die Partie des Herolds von anderen Tenören vorgetragen gelegentlich schon zu einem ungewollten Lacherfolg. Am 5. September wurde noch einmal Don Carlo gegeben, dieses Mal allerdings mit Staatsopern-Tenor Keith Ikai-Purdy in der Titelpartie, der ebenfalls eine hervorragende Leistung bot, aber nicht ganz die Brillanz und die Leichtigkeit in der Höhe der Stimme von Neil Shicoff besitzt. Hervorragend bei dieser zweiten Vorstellung war Anthony Michaels-Moore in der Rolle des Posa, dessen Bariton wohltönend und eindringlich-berührend in der Sterbeszene strömte.

Neil Shicoff war für den 5. September für Don Carlo nicht angesetzt worden, da er am 6. September sein Rollendebüt an der Wiener Staatsoper als Gustaf III. in Verdis Un ballo in maschera gab. In der prunkvollen, die Welt des schwedischen Königshofes von 1792 wieder wachrufenden Inszenierung von Gianfranco de Bosio vermittelte Shicoff etwas mehr einen leidenden Eindruck bereits zu Beginn des Stückes, als dies die meisten seiner Kollegen tun - für gewöhnlich überwiegt hier noch die Lebenslust und Unbekümmertheit. Angesichts der Tatsache, daß der König sich bewußt ist, in die Frau seines besten Freundes verliebt zu sein, ist diese leidvolle, nachdenkliche Note jedoch nachvollziehbar. Bei der ersten Vorstellung wirkte Neil Shicoff zu Beginn der Vorstellung noch sehr angespannt, wurde aber auch stimmlich im Verlauf der Aufführung immer lockerer und bot einen großartigen Höhepunkt in einer voller Schmelz gesungenen Briefszene im letzten Akt. Bei der zweiten Vorstellung am 9. September lief er zu überragender Form auf mit sicheren Höhen, guten, bei dieser Oper besonders wichtigem Rhythmusgefühl und großer Bühnenpräsenz.

Zum Publikumsliebling an seiner Seite entwickelte sich zusehends Lado Ataneli in der Rolle des Renato, dem engen Vertrauten Gustafs, der aus gekränkter Ehre zu dessen Mörder wird. Ataneli, der wie auch Iano Tamar als Amelia sein Rollendebüt am Haus gab, zeigte sich als glaubwürdiger Repräsentant seiner Rolle und gewaltig in Stimme und Auftreten. Nicht ganz so überzeugend waren die weiblichen Stimmen besetzt, wobei insgesamt bei der zweiten Aufführung noch eine Leistungssteigerung zu vermerken war. Beide Abende haben sich jedoch alles in allem als lohnenswerte Opernbesuche erwiesen. Bei Iano Tamar hätten die Höhen manchmal etwas sicherer sein dürfen. Ihre Arie auf dem Galgenberg sang sie jedoch an beiden Abenden mit allergrößtem Einfühlungsvermögen, ebenso war das Duett mit Neil Shicoff ein Hochgenuß. Auch in ihrer Darstellung konnte die Sopranistin überzeugen. Die Höhen schmetterte Milagros Poblador, als Oskar eine weitere Rollendebütantin am Haus, zwar mühelos heraus, da fühlte sie sich sichtlich wohl, die Mittellage kam jedoch schlechter herüber. Bei Mihaela Ungureanu als Wahrsagerin Ulrica störte das starke Tremolo, das unheimliche Moment in ihrer Partie verstand sie jedoch gut zu vermitteln. Anton Guadagno führte Sänger und Orchester souverän durch das Werk.

Das Verdi den Beginn der neuen Saison dominierte, ist verständlich, schließlich befinden wir uns noch immer im Verdi-Jahr. Mit Roberto Devereux, der im Dezember 2000 Premiere hatte, durfte am 3. und 7. September mit Donizetti ein weiterer italienischer Meister zum Zuge kommen. Für die ersten beiden Vorstellungen bereits im Jahresspielplan vorgesehen war statt Edita Gruberova, die dieser Oper zur Renaissance verholfen hatte, Silvana Dussmann. Die Wiener Sopranistin, die als Cover bereits bei den Proben dabei war, füllte die großen Fußspuren Gruberovas in überzeugender Weise, gab die schwierige, mit vielen Koloraturen versehene Partie mit weniger Pathos aber sicheren Höhen und großer Ausdrucksstärke. In bester Singeslaune und Stimme präsentierte sich Carlos Alvarez. Der spanische Bariton beeindruckte mit großer Stimmgewalt als auch geschmeidigem Legato. In seiner Arie über die Traurigkeit seiner unglücklich(in Roberto Devereux verliebt)en Ehefrau Sara glänzte er als Herzog von Nottingham mit einfühlsamen Passagen, die die Herzen des Publikums anrührten.

Ramón Vargas, der Ende September in Baden-Baden mit dem Echo-Klassik-Preis als Sänger des Jahres 2000 ausgezeichnet werden wird, gab am 3. September nach zweimonatiger, krankheitsbedingter Bühnenabstinenz seine erste Vorstellung. An manchen Stellen sang er in der Titelpartie in den Vorstellungen am 3. und 7. September noch etwas mit gebremster Tenorkraft, aber immer mit harmonischer und in ihrer Führung sicherer Stimme. Ralf Weikert am Pult gelang es mit dem Wiener Staatsopernorchester eine berauschende Stimmung zu erzeugen, bei der sich die Ereignisse auf die fulminante Abdankungsarie Elisabeths hin beständig zuspitzen.

Die nächste Staatsopern-Premiere wird am 19. Oktober 2001 die Bellini-Oper La Sonnambula sein gefolgt von der Premiere von Gounods Roméo et Juliette am 22. Dezember 2001.

Birgit Popp

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