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L'amore dei tre re - Opernhaus Zürich 2000

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Opernhaus Zürich, Premiere Sonntag, 5. November 2000

Schweizerische Erstaufführung in einer Koproduktion mit der Lyric Opera of Chicago

L'amore dei tre re

von Italo Montemezzi (1875-1952) - Libretto von Sem Benelli nach seinem gleichnamigen 'poema tragico' (1910)

Musikalische Leitung
Inszenierung
Regiemitarbeit
Ausstattung
Lichtgestaltung
Chor

 

Marcello Viotti
David Pountney
Nicola Raab
johan Engels
Jürgen Hoffmann
Ernst Raffelsberger

 

Archibaldo
Manfredo
Avito
Flaminio
Ein junger Mann
Fiora
Magd
Eine junge Frau
Eine alte Frau

 

Samuel Ramey
Stephan Pyatnychko
Antonello Palombi*
Miroslav Christoff*
Matthias Aeberhard*
Paoletta Marrocu*
Hélène Hebrard*
Jennifer Rouse*
Ursula Ferri*

* Rollendebüt

Chor des Opernhauses Zürich
Orchester der Oper Zürich

 

Ein musikalischer Krimi wiederentdeckt

Dem Dirigenten Marcello Viotti, dem Regisseur David Pountney und dem Zürcher Opernintendanten Alexander Pereira ist es zu verdanken, daß Italo Montemezzis selten gespieltes Hauptwerk L'amore dei tre re an einem der führenden Opernhäuser wiederentdeckt wurde und zur Erstaufführung in der Schweiz gelangte. Die Oper war am 10. April 1913 mit großer Akzeptanz an der Mailänder Scala unter der Stabführung von Tullio Serafin uraufgeführt worden und erlebte ein Jahr später eine sensationelle Erstaufführung in New York unter Arturo Toscanini. Vor dem zweiten Weltkrieg stand die Oper vor allem in Amerika regelmäßig auf dem Spielplan, danach geriet das Werk in Europa und in Amerika weitgehend in Vergessenheit. Es ist diesem spannenden, gefühlsgeladenen Opernkrimi zu wünschen, daß ihm ein ähnlicher Siegeszug durch die Opernhäuser der Welt gelingt, wie Giordanos Fedora, die vor zwanzig Jahren in Zürich wiederbelebt wurde.

Zu entdecken galt es in der Zürcher Produktion von Montemezzis Drama um die 'Liebe dreier Könige' neben einer dichten, farbenreichen Musik vor allem junge Stimmen, die sich neben dem Star Samuel Ramey als alten, blinden König Archibaldo hervorragend in Szene setzten. Allen voran der ukrainische Bariton Stephan Pyatnychko als Manfredo, dem Sohn Archibaldos, der seine Frau Fiora über alles liebt, die ihm gegenüber aber kalt und abweisend ist. Die Prinzessin des von Archibaldo besetzten, italienischen Phantasie- Königreichs Altura hat ihren Mann nur aus Staatsräson geheiratet, um ihrem Volk den Frieden zu geben. Eigentlich war sie dem rechtmäßigen Herrscher Avito, dem Prinzen von Altura, versprochen gewesen, mit dem sie nun ein Liebesverhältnis im Schloß des Königs Archibaldo und ihres Mannes Manfredo führt. Dieses Liebesverhältnis wird durch die kriegsbedingte häufige Abwesenheit Manfredos und die Blindheit Archibaldos begünstigt, zudem Archibaldos Diener Flaminio aus Partriotismus Fiora und Avito deckt. Archibaldo entlarvt dennoch seine untreue Schwiegertochter, die er selbst heimlich begehrt und deren Ermordung im Affekt zu einer Befriedigung auch seiner sexuellen Begierden wird. Ihre stolze Weigerung, den Namen ihres Liebhabers preiszugeben, läßt ihn sie erdrosseln. Mit einem starken Gift auf ihren Lippen geträufelt hofft er, den Liebhaber, der seiner Geliebten noch im Tode einen letzten Kuß geben wird, zu überführen und zu töten. Archibaldos Rechnung geht auf, wenn auch anders, als gedacht.

Avito kommt in die Krypta, in der Fiora aufgebahrt ist, und gibt wie erwartet seiner toten Geliebten den letzten Abschiedskuß. Kurz darauf kommt auch Manfredo in die Krypta, erkennt den sterbenden Avito und erfährt von ihm, daß seine, von ihm so sehr geliebte Frau Avito mehr geliebt habe als ihr Leben. Doch Manfredo kann sich am Tode Avitos nicht erfreuen. Einerseits ihr verzeihend - Oh, Gott ich kann nicht hassen ! -, andererseits völlig frustriert, küßt auch Manfredo seine tote Frau und liegt im Sterben, als Archibaldo die Krypta triumphierend betritt. Sein Triumph wandelt sich in Entsetzen, als er bemerkt, daß sein Sohn sterbend neben Fiora liegt. Anders als im Libretto, in dem Archibaldo alleine gebrochen zurückbleibt, küßt auch er in Pountneys Inszenierung die Lippen Fioras und sinkt über sie sterbend zusammen - ohne den Namen Avitos von seinem Sohn erfahren zu haben. Ein gelungener Einfall Pountneys, der ganz zum Titel der Oper paßt.

Der britische Regisseur hat seine Inszenierung weg vom 10. Jahrhundert in die Entstehungszeit der Oper gelegt und den aufkommenden Faschismus und seine Entwicklung vorweggenommen. Flaminio, Manfredo und Archibaldo erscheinen in den schwarzen Uniformen der italienischen Faschisten und der von Macht und Gewalt geprägte Archibaldo wird ganz zur Verkörperung Mussolinis. Szenisch diente Pountney und seinem Ausstatter Johan Engels die düstere, geheimnisvolle, an eine Wehranlage erinnernde Villa des Dichters Gabriele d'Annunzio am Gardasee als Inspiration. Das Geschehen, das sich auf zwei räumlichen Ebnen abspielt, und die in ihm verwickelten Menschen sind in diesem düsteren, morbiden Gebäude gefangen, wobei die agierenden Personen durch die gutgeführte Lichtregie von Jürgen Hoffmann dennoch nicht im Dunklen stehen.

Die berührendste Szene ist, wenn Fiora beim Abschied von Manfredo, der erneut in den Krieg zieht, erkennt, wieviel Liebe er für sie besitzt und welch eine poetische, sensible Seele in ihrem Ehemann steckt, den sie kaum kennt. Angerührt und ergriffen von Mitgefühl drückt sie in wenigen, kleinen Gesten die aufkeimende Sympathie für ihren Mann aus, als sie seinen Mantel, Handschuhe und Hut einsammelt, die er zuvor in einem, für ihn ungewöhnlichen Anfall von Zorn weggeworfen hat. Sie verspricht seinen Wunsch zu erfüllen, zum Abschied vom Turm mit dem Schleier zu winken. Wenn sie winkt, öffnet sich erstmals ein Lichtspalt im finsteren Gemäuer. Er erweitert sich, als sie schließlich dem Drängen Avitos nachgibt und in seine Arme zu einem unendlich langen Kuß mit kompositorischen Reminiszenzen an Wagners Tristan und Isolde sinkt.

Montemezzis nur rund 100 Minuten langes, dreiaktiges Werk wird in Zürich ohne Pause gespielt und die Verwandlung der Szene vom zweiten in den dritten Akt gelingt David Pountney mit einem bühnentechnischen Kunstgriff: Fiora bleibt an der Stelle liegen, an der sie von Archibaldo ermordet wurde. Der Bühnenboden um sie herum hebt sich samt der Säulen und es offenbart sich die Krypta, in der sie nun umgeben von roten Lilien liegt. Die orchestrale Einleitung in den dritten Akt bietet die musikalische Grundlage für die szenische Verwandlung auf offener Bühne. Die symphonischen Momente in der Komposition, die ruhende Pole im (musikalisch) aufgewühlten Gefühlsleben der Personen und zugleich Überleitungen in die nächste Gefühlsstimmung und - turbulenz sind, setzt Pountney mit einem häufigen, für die Sänger konditionerforderndes Auf- und Abgehen auf der sich über die gesamte Bühnenrückwand vom Parterre in den zweiten Stock erstreckende Treppe um. Montemezzi hatte sein Werk ähnlich einer Stummfilmmusik komponiert und Pountney hat diesen Gedanken in der szenischen Gestaltung aufgegriffen.

Von D'Annunzio ließ sich auch der Dramatiker Sem Benelli (1874 - 1950) für seine Theaterstücke inspirieren. Sein 1910 uraufgeührtes Stück L'amore dei tre re arbeitete er für Montemezzi zum Libretto um. Für ein Opernlibretto ist der Text von hoher, dichterischer Qualität und Intensität und es gelang Montemezzi eine enge Verflechtung zwischen Text und Musik. In welcher Zeit das Drama von Tod, Liebe, Eifersucht und Gewalt spielt, ist zweitrangig. Was zählt, ist die abgründige Gefühlswelt, die sich eröffnet, und daran hat vor allem Montemezzis aufwühlende und fesselnde Komposition ihren Anteil. Der Komponist vereinte in seiner veristischen Oper Einflüsse von Richard Wagner, Richard Strauss, Debussy, Mascagni und stand aber zugleich auch in der italienischen Tradition von Verdi und Puccini.

Lyrische Momente mit romantischen Melodiebögen werden von fast den Herzschlag des Zuhörers bestimmenden Pizzicatos der Kontrabässe abgelöst, die Archibaldos Erscheinen charakterisieren, sei es in Person oder nur in Gedanken der anderen Handelnden. Montemezzi verwendet zahlreiche Leitmotive wie das bereits erwähnte für Archibaldo oder ein Trompetenmotiv für Manfredo, das das kriegerische Moment in seiner Person verkörpert. Das Liebesmotiv von Fiora und Avito bestimmen die Flöte bzw. Harfe und Celesta. Die Musik, von Marcello Viotti und dem Orchester des Zürcher Opernhauses mal explosiv, mal temporeich-aufwühlend, mal lyrisch-romantisch in allen Farben und Nuancen ausgelotet, treibt das Geschehen unaufhaltsam zu seinem gleich vierfachen Tod bringenden Ende voran. Viotti, der L'amore dei tre re im vergangenen Jahr mit dem Bayerischen Rundfunkorchester konzertant mit großem Erfolg aufgeführt hatte, nimmt die an manchen Stellen gerne etwas auftrumpfen wollende Musik immer wieder gefühlvoll zurück und bietet den Sängern einen Klangteppich, auf dem sie ihre Stimmen glänzend zur Entfaltung bringen können und selbst in den feinsten Piani gut zur Geltung gelangen.

Samuel Ramey, der vor zwanzig Jahren die Partie des Archibaldo schon einmal an der New York City Opera gegeben hatte, nimmt mit seiner Arie zu Beginn des Stückes, in der er als vom Norden in den Süden Italiens eingedrungener Besatzer von der Schönheit des Landes schwärmt, von Anfang an gefangen. Ergreifend sein durch Mark und Bein gehender Baß wie seine in allen Feinheiten präzise ausgearbeitete Darstellung des blinden, von der Vernichtung seiner Schwiegertochter besessenen Königs. Paoletta Marrocu als Fiora (Sopran) und Antonello Palombi als Avito (Tenor), für die es beide ihr Rollendebüt war, klangen zu Beginn des Premierenabends noch etwas zaghaft, steigerten sich aber zu großartiger Form. Beide zeichnen sich durch viel Leuchtkraft in ihren Stimmen und einen großen Stimmumfang aus, den sie im Laufe des Abends immer sicherer durch die durch ständigen Stimmungs- und Tempiwechsel besonders schwierige Partitur führten. Gespannt darf man auf Paoletta Marrocus Lady Macbeth sein, die sie noch in dieser Spielzeit erstmals in Zürich singen wird. Als Ismaele wird Zürich-Debütant Antonello Palombi in Nabucco im Januar ebenfalls wieder in einer großen Partie in Zürich zu erleben sein. Eine große Entdeckung ist Stephan Pyatnychko. Der ukrainische Bariton hat mit seinem wohltemperierten, flexiblen Stimmaterial die Rolle des Manfredo bereits 1998 im Bregenzer Festspielhaus gesungen. Er wird in dieser Saison in Zürich als Posa in einer Neuproduktion von Verdis Don Carlo zu hören sein. In den USA wird er in den nächsten beiden Jahren in San Francisco (Aida, Rigoletto), Los Angeles (La traviata) und Washington (Un ballo in maschera) gastieren. Das Zürcher Ensemblemitglied Miroslav Christoff war am Premierenabend grippegeschwächt und als indisponiert angesagt. Der junge bulgarische Tenor, der auf der Zürcher Opernbühne u.a. bereits den Aturo in Lucia di Lammermoor gesungen hat, meisterte dennoch den Abend mit Anstand. Der Chor des Hauses kam zwar nur im dritten Akt in einem kurzen Auftritt zur Geltung, diesen gestaltete er jedoch präzise und mit besonders schönen Piani.

Birgit Popp

Weitere Vorstellungen: Do 9. Nov., 19.30, So 12. Nov., 20.00, Mi 15. Nov., 19.30, Sa 18. Nov., 20.00, Mi 22. Nov., 19.30, Sa 25. Nov. 2000, 19.30

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