Bericht

Le Prophète, Wiener Staatsoper, 8. und 12. Dezember 1998

Im Mai '98 bei der Premiere und in den nachfolgenden Vorstellungen mit Plácido Domingo und Agnes Baltsa hatte Meyerbeers 'Le Prophète' in der Inszenierung von Hans Neuenfels für viel Aufregung gesorgt. Diese hat sich bei den erneuten Aufführungsserien im Oktober und im Dezember '98 weitgehend gelegt. Die in ihrer Kostümierung als Krankenschwestern und Ärzte etliche Buhrufe hervorrufende Ballettszene am zugeforenen See erzielte mittlerweile fast nur noch einhelligen Beifall für das choreographisch hervorragende Ballett. Allerdings, etliche Plätze im Zuschauerraum blieben frei und die meisten Opernbesucher gingen immer noch mit einem Kopfschütteln aus der Aufführung nach Hause. '... also die Inszenierung, aber die Musik ist ja toll...', war ein häufig zu hörender Spruch. (Mehr zur Inszenierung und zur Musik siehe Premierenbericht vom Mai '98).

Violeta Urmana
Violeta Urmana
Die Besetzung hat sich gegenüber der Premiere fast völlig verändert. Luis Lima, der in der Dezember-Serie die Titelfigur hätte singen sollen, sagte wegen familiärer Angelegenheiten ab. So trat wie schon im Oktober Janez Lotric in der Titelpartie auf. Der slowenische Tenor hatte die Pastorale und die anderen, kleineren Passagen, die für Domingo transponiert worden waren, wieder in der Orginaltonart gesungen. Lotric bewältigte die Klippen der Partitur mit seinem leuchtenden, gelegentlich aber etwas breit werdenden Tenor in beeindruckender Weise. Dennoch, rein optisch gesehen ist der untersetzte, nicht gerade mit Körperlänge gesegnete Slowene keine Idealbesetzung dieser Rolle. An das Charisma eines Plácido Domingos, dem die Rolle des Propheten geradezu auf dem Leib geschrieben scheint, kann er nicht heranreichen. Violeta Urmana ist eine stimmlich überzeugende Fidès, auch dann noch, wenn sie sich wegen einer Erkältung wie am 12. Dezember als indisponiert ansagen lassen muß. Im fünften Akt hatte die junge, litauische Mezzosopranistin, die in dieser Rolle am 8. Dezember debütierte, die Herausforderung angenommen und einige der von Agnes Baltsa gestrichenen Passagen wieder in ihre Partie aufgenommen. Darstellerisch ist sie mehr eine mütterlich-warmherzige, denn eine dominierende Mutterfigur, wie sie von Agnes Baltsa verkörpert wurde. So verbreiteten Lotric und Urmana zwar stimmlichen Hochgenuß, in der Ausstrahlung kamen sie an das 'Traumpaar' Domingo-Baltsa jedoch nicht heran. Auch in den weiteren Partien waren im Vergleich zum Mai neue Gesichter zu erleben. Die Rumänin Simina Ivan als Berthe besitzt in den Höhen einen strahlenden Sopran und eine gute französische Diktion. Stimmlich besser besetzt als mit Davide Damiani war die Rolle des Comte d'Oberthal mit Boaz Daniel, der sein Rollendebüt am 8. Dezember gab. Rein äußerlich sieht er so blendend-jugendhaft und unbescholten aus, daß man ihm die Gemeinheiten eines Oberthals nur schwer zutraut. Hier hätte der Maskenbildner vielleicht etwas nachhelfen sollen. Das 'Ad nos' des Anabaptisten-Trios hatte etwas an seiner Verführungskraft verloren. Peter Köves an Stelle von Franz Hawlata konnte in der Rolle des Anführers Zacharie mit dessen stimmlicher Baßgewalt nicht gleichziehen.

Die Sänger und das Orchester führte - wie bei allen anderen Aufführungen im Mai und Oktober - Marcello Viotti am Pult sicher durch den Melodienreichtum Meyerbeers.

Birgit Popp

 

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