|
Die Besetzung
hat sich gegenüber der Premiere fast völlig verändert. Luis Lima, der in der
Dezember-Serie die Titelfigur hätte singen sollen, sagte wegen familiärer
Angelegenheiten ab. So trat wie schon im Oktober Janez Lotric in der Titelpartie auf. Der
slowenische Tenor hatte die Pastorale und die anderen, kleineren Passagen, die für
Domingo transponiert worden waren, wieder in der Orginaltonart gesungen. Lotric
bewältigte die Klippen der Partitur mit seinem leuchtenden, gelegentlich aber etwas breit
werdenden Tenor in beeindruckender Weise. Dennoch, rein optisch gesehen ist der
untersetzte, nicht gerade mit Körperlänge gesegnete Slowene keine Idealbesetzung dieser
Rolle. An das Charisma eines Plácido Domingos, dem die Rolle des Propheten geradezu auf
dem Leib geschrieben scheint, kann er nicht heranreichen. Violeta Urmana ist eine
stimmlich überzeugende Fidès, auch dann noch, wenn sie sich wegen einer Erkältung wie
am 12. Dezember als indisponiert ansagen lassen muß. Im fünften Akt hatte die junge,
litauische Mezzosopranistin, die in dieser Rolle am 8. Dezember debütierte, die
Herausforderung angenommen und einige der von Agnes Baltsa gestrichenen Passagen wieder in
ihre Partie aufgenommen. Darstellerisch ist sie mehr eine mütterlich-warmherzige, denn
eine dominierende Mutterfigur, wie sie von Agnes Baltsa verkörpert wurde. So verbreiteten
Lotric und Urmana zwar stimmlichen Hochgenuß, in der Ausstrahlung kamen sie an das
'Traumpaar' Domingo-Baltsa jedoch nicht heran. Auch in den weiteren Partien waren im
Vergleich zum Mai neue Gesichter zu erleben. Die Rumänin Simina Ivan als Berthe besitzt
in den Höhen einen strahlenden Sopran und eine gute französische Diktion. Stimmlich
besser besetzt als mit Davide Damiani war die Rolle des Comte d'Oberthal mit Boaz Daniel,
der sein Rollendebüt am 8. Dezember gab. Rein äußerlich sieht er so blendend-jugendhaft
und unbescholten aus, daß man ihm die Gemeinheiten eines Oberthals nur schwer zutraut.
Hier hätte der Maskenbildner vielleicht etwas nachhelfen sollen. Das 'Ad nos' des
Anabaptisten-Trios hatte etwas an seiner Verführungskraft verloren. Peter Köves an
Stelle von Franz Hawlata konnte in der Rolle des Anführers Zacharie mit dessen
stimmlicher Baßgewalt nicht gleichziehen. Die Sänger und das Orchester führte - wie
bei allen anderen Aufführungen im Mai und Oktober - Marcello Viotti am Pult sicher durch
den Melodienreichtum Meyerbeers.
Birgit Popp
|