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Vorschau Oper Frankfurt am Main 

Parsifal - Premiere 29. Februar 2004

  Parsifal - ein Werk, das fast ein ganzes künstlerisches Leben umfaßt; ein Werk, dessen Inhalte so viele Interpretationsmöglichkeiten bietet wie kaum eine andere Oper Richard Wagners; ein Werk, das die Idee seines Komponisten vom Musikdrama und der künstlerischen Einheit von Musik, Text und Darstellung in Vollendung verkörpert. Parsifal - ein musikdramatisches Epos von viereinhalb Stunden, die aber so fesseln, daß sie nie langweilig erscheinen.

Nietzsche, ein Bewunderer Wagners spätestens seit dessen Tetralogie 'Der Ring des Nibelungen' und deren Menschheitskatastrophe, wandte sich nach Studium des Textes zu Parsifal endgültig enttäuscht von Wagner ab und bezeichnete dessen Erlösungsschluß als 'Verrat'. Die katholische Kirche hingegen sah in Parsifal, der Elemente des christlichen wie des buddhistischen Glaubens, aber auch der Gedankenwelt Schopenhauers in sich trägt, nicht die göttliche Erlösung sondern Blasphemie und Verhöhnung der heiligen Sakramente.

Da Parsifal erst im Januar 1882 vollendet wurde und am 26. Juli 1882 in Bayreuth als letztes Werk des Komponisten ein gutes halbes Jahr vor dessen Tod am 13. Februar 1883 uraufgeführt wurde, wird er gerne als Quintessenz von Wagners Lebenswerk aufgefaßt. Eine bis zu einem gewissen Grad richtige Schlußfolgerung, mit der Idee des Parsifals trug sich Wagner allerdings fast seit Beginn seines Schaffens, als er im Jahr 1845 erstmals Wolfram von Eschenbachs 'Parsival' las - im Jahr der Vollendung und der Dresdner Uraufführung des Tannhäusers und 24 Jahre vor der Münchner Uraufführung des Rheingolds.

Zentrales Thema des Parsifals ist die Grals-Sage. Der Kelch (Gral), in dem das von Jesus Christus am Kreuz vergossene Blut aufgefangen wurde, und der Speer, mit dem ihm die Wunden zugefügt wurden, sind die Symbole dieser Sage. Sie sollen auf der von Titurel gebauten Burg Montsalvat vom dem dortigen Ritterorden aufbewahrt werden. Die regelmäßige Enthüllung des rotglühenden, energiespendenden Grals schenkt den Rittern ewiges Leben. Sie haben sich allerdings zur Bewahrung des reinen Glaubens und zur sexuellen Enthaltung verpflichtet. Klingsor (Bariton) sah sich dazu nicht im Stande und entmannte sich selbst, wurde aber dennoch von Titurel (Baß), dem Hüter des Grals, abgewiesen. Daraufhin baute Klingsor seinen Zaubergarten, in dem er mit Hilfe der liebreizenden Blumenmädchen (wunderbar ihr im Walzertakt gesungenes Lied im zweiten Akt) schon viele der Ritter verführte und sie für den Orden und das Werk Gottes verdarb. Als Titurel seine Königsmacht an seinen Sohn Amfortas weitergab, verfiel auch dieser für einen Moment den Versuchungen Klingsors, der ihm den Speer entwandt und ihm eine nicht heilende, schmerzhafte Wunde zufügte.

Soweit die Vorgeschichte, die der weise Ritter Gurnemanz (Baß) zu Beginn der Oper den Knappen erzählt, ebenso wie von dem 'reinen Tor, der durch Mitleid wissend', Amfortas die Erlösung von seinen Qualen und den Speer wieder zur Gralsburg zurückbringen soll. Auf diesen reinen Tor wartet Gurnemanz, als ein Jüngling den heiligen Schwan mit seinen Pfeil abschießt. Von Gurnemanz gerügt, zerbricht er seinen Bogen und der alte Ritter glaubt, in ihm, der nicht sagen kann, woher er kommt, den mitleidvollen, reinen Tor gefunden zu haben. Er nimmt ihn zur Gralsenthüllung mit, doch als der Jüngling nichts begreift, schickt ihn Gurnemanz enttäuscht weg.

Im zweiten Akt ist der Jüngling im Zaubergarten den Verlockungen der Blumenmädchen ausgesetzt und trifft Kundry (Mezzosopran) wieder, die zuvor als sündige Büßerin Balsam für Amfortas Wunde zur Gralsburg gebracht hatte. Jetzt steht sie als lockendes Weib in den Diensten Klingsors und nennt den Jüngling bei dem Namen, den ihm seine Mutter gegeben hatte: Parsifal (altpersisch 'fal parsi' = der törichte Reine), durch einen - noch mütterlichen - Kuß läßt sie Parsifal erkennen, daß sie es war, die Amfortas verführte und er bekommt Mitleid mit dem König. Parsifal widersteht den Lockungen Kundrys, fängt den Speer auf, den Klingsor nach ihm wirft, und zerstört dessen Zauberburg und -garten.

Nach langen Irrungen kehrt Parsifal als schwarzer Ritter am Karfreitag in das Gralsgebiet zurück. Titurel ist gestorben, Amfortas nicht mehr zur Gralsenthüllung in der Lage und die Ritter darben in einer zerfallenden Gralsburg dahin. Gurnemanz erkennt in dem schwarzen Ritter den Retter des Grals, den er einst weggeschickt hatte. Kundry, die, nachdem sie  Christus auf seinen Leidensweg verlacht hatte, verflucht war, zwischen den Welten als arme Sünderin und Verführerin zu irren, wäscht Parsifal die Füße und darf erlöst sterben. Gurnemanz salbt Parsifal zum neuen König, dessen erste Amtshandlung die Gralsliturgie ist und der mit dem Speer Amfortas von seinen Qualen heilt.

Unzertrennlich mit dem Parsifal sind die Begriffe Bühnenweihfestspiel, womit ein dreißigjähriges Aufführungsverbot für andere Häuser und ein Applausverbot nach dem 1. Akt seitens Wagners verbunden war, und Karfreitag-Zauber verbunden. Doch ebenso widersprüchlich wie die Interpretationen der Oper ist auch die Aussage darüber, ob Wagner wirklich an einem Karfreitag den ersten Prosaentwurf verfaßte oder nur in einer 'Karfreitag - Stimmung' an einem schönen Frühlingstag im April 1857. Aber, was ist eine Karfreitag-Stimmung ein Karfreitag-Zauber ? Auch Parsifal fällt der Widerspruch zwischen der zerfallenden Gralsburg, dem Tod Christi und der in voller Blüte erleuchtenden Blumenaue am Karfreitag auf, worauf ihm Gurnemanz sinngemäß antwortet, daß dies die Vorfreude der Natur auf den Erlöser sei.  

Die Musik zu dieser Szene ist von einmaliger Schönheit und nimmt die Erlösung der Gralsritter durch die erneute Gralsenthüllung vorweg. Eine positive, Wagner mit seinem an Höhen und Tiefen ausgesprochen reichem Leben versöhnende Musik ? Wie die polyphone Chormusik zur Gralsliturgie (Choreinstudierung: Alessandro Zuppardo) ist sie auf jeden Fall einer der tragenden und einprägsamsten musikalischen Momente des Werkes.

Die Einstudierung und musikalische Leitung der Premiere am 29. Februar obliegt dem Frankfurter Generalmusikdirektor Paolo Carignani. Aus Sparzwängen wird es in dieser Saison nur eine konzertante Aufführungsserie geben, eine szenische Umsetzung ist aber für einen späteren Zeitpunkt geplant. Die Oper Frankfurt ist in der glücklichen Lage, die Hauptpartien weitgehend mit Sängern des Ensembles besetzen zu können. So wird Stuart Skelton , zuvor bereits als Schuberts Fierrabras und Brittens Peter Grimes in Frankfurt zu höben, in der Rolle des Parsifal debütieren. Gurnemanz wird seine Stimme von Gregory Frank, Klingsor von Gert Grochowski und Titurel von Magnus Baldvinsson verliehen bekommen. Als Gäste komplettieren die Besetzung der Hauptpartien der finnische Baß Raimo Laukka, der in Frankfurt den Miller in Verdis Luisa Miller sang, und die in Leipzig geborene Mezzosopranistin Nadja Michael, die in dieser Saison u.a. an den Staatsopern in Hamburg und München und an der Mailänder Scala zu hören ist.

Birgit Popp

In gekürzter Fassung erschienen in der Frankfurter Neuen Presse vom 9. Februar 2004

weitere Informationen: www.oper-frankfurt.de

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