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Billy Budd an der Wiener Staatsoper Teil 2

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Wiener Staatsoper, Premiere, 12. Februar 2001, Teil 2
Österreichische Erstaufführung der vieraktigen Fassung von

Benjamin Brittens

Billy Budd

Billy Budd - Dansker
Photo: Axel Zeininger

mit Bo Skovhus in der Titelpartie und
Alfred Sramek als Dansker

Überwältigender Premierenerfolg !

Musik

Alle Situationen werden in der Enge des Schiffes komprimiert, die Zutaten entsprechen jedoch bis heute dem Alltagsleben jedes Einzelnen. Ein Aspekt, der Neil Shicoff besonders bewog, diese Rolle zu übernehmen, 'Mich interessiert die moralische Frage, wieweit ist jeder Einzelne bereit, seine Moral seinen Zielen zu opfern ?" Der amerikanische Tenor hatte selbst angefragt, als er erfuhr, daß Billy Budd erstmals an der Wiener Staatsoper inszeniert werden soll, ob er diese zentrale Rolle in der Position zwischen Gut und Böse übernehmen könne. Der für die Darstellung zerrissener Charaktere berühmte Tenor ist geradezu die ideale Verkörperung Kapitän Veres, einerseits als 'Man of action' andererseits als Träumer, Literat, Humanist und Philosoph als auch Vaterfigur. Doch nicht nur in seiner Darstellung ist Shicoff überzeugend sondern ebenso stimmlich in dieser schwierigen Partie, die zwar auch viele lyrische Momente beinhaltet, jedoch sehr oft ins Fach des Heldentenors hinübergeht und sich meistens in einer anstrengenden Mittellage bewegt. Ein Grund, warum bei der Wiederbelebung der Oper 1960, fast zehn Jahre nach ihrer Uraufführung unter dem Dirigat des Komponisten, Benjamin Britten die ursprünglich vieraktige Fassung in eine zweiaktige revidierte. Der Tenor der Uraufführung und Wiederbelebung, Brittens Lebenspartner Peter Pears hatte den Komponisten darum gebeten, seinen Part zu verkleinern. In der nun erstmals in Österreich aufgeführten vieraktigen Fassung ist die Auftrittsszene von Kapitän Vere am Ende des ersten Aktes wieder enthalten, die ihn als 'Man of Action' einführt. In dieser Szene kommt es zur ersten Begegnung zwischen Billy Budd und dem Kapitän, in der der Vortopp-Matrose seine Begeisterung für Vere zum Ausdruck bringt und seine später eingelöste Bereitschaft, für ihn zu sterben, und Kapitän Vere in Billy Budd das Gute erkennt.

Während Neil Shicoff, der bereits große Erfolge u.a. an der Wiener Staatsoper in der Titelpartie von Brittens Peter Grimes feierte, in der Rolle des Kapitän Vere debütierte, hat der dänische Bariton Bo Skovhus schon mehrfach den Billy Budd interpretiert (u.a. Köln und Houston) und sie als naiv-gutmütige, etwas schlaksige Verkörperung des Positiven zu einer seiner überzeugendsten Partien erarbeitet. Schon bei der Uraufführung vermerkten die Kritiker, daß etliche Augen im Premierenpublikum nicht trocken blieben, und selbiges gilt auch für die Premiere an der Wiener Staatsoper. Das Wiegenlied (des Todes) von Billy Budd im vierten Akt, einer der lyrischsten Momente der Oper, geht unter die Haut ebenso wie die Arie des Kapitäns, als er den Tod Billys beschließt, und sein Epilog. In seiner Ballade mit realen und visionären Inhalten - hervorragend musikalisch vertont durch den solistischen Einsatz der Piccolo-Flöte - geht Billy Budd gefaßt in den Tod ('Ich bin stark und ich weiß es und ich bleibe stark und das ist alles und das ist genug.') und sieht sich am Meeresgrund unter Algen begraben liegen bzw. ein Schiff kommen, daß ihn in ein anderes Land bringt.

Auch Billy Budds Gegenspieler, der gewalttätige, böse John Claggart, von der Mannschaft auch als Jimmy Legs bezeichnet, findet in dieser Inszenierung mit dem amerikanischen Baß Eric Halfvarson seine ideale Verkörperung. Mit seiner Partie setzt Britten eine Reminiszenz an Verdi - an Jago aber vor allem an den Großinquisitor - als Gestalt aber auch musikalisch. Die tiefen Baßklänge, die den Aufritt des Großinquisitors zum Duett mit Philipp II. in Verdis Don Carlo ankündigen, sind fast identisch mit den Klängen zum Auftritt Claggarts, die zum Duett mit Kapitän Vere führen, in dem er Billy Budd der Anstiftung zur Meuterei beschuldigt. In beiden Fällen wissen die Gegenüber des Claggarts wie des Großinquisitors, daß das Böse im Unrecht ist und doch müssen sie sich ihm unterwerfen. Eric Halfvarson ist mit seinem schwarzen Baß und seiner Darstellung die ideale Personifizierung des Großinquisitors, wie zuletzt wieder während der Verdi-Wochen an der Wiener Staatsoper bewiesen, und eine ebensolche in Stimme und Erscheinung als Claggart. Ein Böser mit hoher Intelligenz, dem man in seiner Erkennung des Guten und seiner daraus entstehenden, unerfüllbaren Sehnsucht zum Guten, trotz seiner Intriganz und seiner Zerstörungsabsicht des Guten noch Sympathien entgegenbringen kann.

Wie die drei Hauptpartien sind auch alle weiteren 13 Solopartien (überwiegend) mit Ensemblemitgliedern optimal besetzt: John Nuzzo, in einer seiner ersten größeren Rollen an der Staatsoper als Neuling, Alfred Sramek, als Billy Budd bis in den Tod beistehender Freund Dansker, der Wiener Staatsopern-Debütant Robert Bork als Mr. Redburn, Wolfgang Bankl als Mr. Flint, David Cole Johnson als Leutnant Redcliffe, John Dickie als Red Whiskers oder Cosmin Ifrim als Squeak, um nur einige der Solisten zu nennen, in dieser reinen Männeroper, die auch ohne Liebesduett berührt und von Liebe handelt.

Eine gewichtige Rolle spielt in dieser Oper der Chor - bestens einstudiert von Ernst Dunshirn -, der die Handlung - abgesehen von Prolog und Epilog des Kapitäns - umrahmt. Der erste Bild des ersten Aktes vermittelt zugleich mit der Chorszene der segelhissenden und deckschrubbenden Matrosen die angespannte und gewalttätige Stimmung auf dem Schiff. Hier ist der Chor gebeugt und besitzt ausführende Gestalt, in der Schlußszene des vierten Aktes geht die Bedrohung vom Chor aus, der sich nur durch die Erscheinung Veres und den Segen Billys unter Kontrolle halten läßt. Hervorragend 'unter Kontrolle' und immer in einem Spannungsbogen hält Donald Runnicles Chor und Orchester der Wiener Staatsoper und das Sängerensemble. Die Musik Brittens ist nicht leicht zugänglich in ihrer brillanten Vielfalt und erhält ihre herausragende Wirkung insbesondere im szenischen Einklang, der von Willy Decker mit grandioser Übereinstimmung zwischen Musik und szenischer Gestaltung hervorgerufen wird. Der Gesang ist der Sprechstimme stark angeglichen, was eine für die Oper eher ungewöhnlich gute Verständlichkeit des (englischen) Textes bewirkt. Hinzukommen deutsche Übertitel, wie sie ab der nächsten Spielzeit an der Staatsoper voraussichtlich zur regelmäßigen Einrichtung werden sollen. Das Staatsopern- Orchester setzt Brittens Musik in all ihren Stimmungswechseln vom düsteren Bild, über militärisch-kriegerischen Aufmarsch bis hin zur lyrischen Ballade Billy Budds einschließlich der vielen Soloeinlagen wie von Flöte und Horn fulminant um. In allem eine der herausragendsten Neuproduktionen an der Wiener Staatsoper der letzten Jahre !

Birgit Popp

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